FAQ
FAQ 1: Was versteht CLICCS unter “Klimazukünften“?
Wie werden sich unser Leben und das folgender Generationen im Zuge des Klimawandels verändern? Welche klimatischen Bedingungen und Gesellschaftsformen werden das menschliche Dasein in den kommenden Jahrzehnten bestimmen? Der Hamburger Exzellenzcluster „Klima, Klimawandel und Gesellschaft“ (Climate, Climatic Change, and Society, CLICCS) untersucht Klimazukünfte – potenzielle zukünftige Entwicklungen im physikalischen und im gesellschaftlichen System. Diese Systeme sind eng miteinander verbunden: Gesellschaftliche Entwicklungen beeinflussen zum Beispiel die Menge an Treibhausgas-Emissionen, die ihrerseits Veränderungen im physikalischen Klimasystem verursachen. Umgekehrt hat der Klimawandel Folgen für die Lebensbedingungen auf der Erde. Mit seiner multidisziplinären Perspektive strebt CLICCS danach, das wissenschaftliche Verständnis davon zu verbessern, welche Klimazukünfte möglich und welche plausibel sind.
FAQ 2: Was sind mögliche und plausible Klimazukünfte?
Der Hamburg Climate Futures Outlook stellt einen neuen Ansatz vor, um mögliche und plausible Klimazukünfte zu unterscheiden. Mögliche Klimazukünfte stimmen mit dem wissenschaftlichen Verständnis des Klimasystems und gesellschaftlicher Dynamiken überein. Plausible Klimazukünfte sind diejenigen darunter, deren Eintreten angesichts des bestehenden Wissens über Physik und Gesellschaft mit nennenswerter Wahrscheinlichkeit erwartet werden können (Abbildung 1). Naturwissenschaften bewerten Plausibilität auf Basis physikalischer Gesetze und Regeln von Ursache und Wirkung. Sozialwissenschaften erstellen Vermutungen über die Plausibilität, ausgehend von Wissen darüber, wie sich gesellschaftliche Systeme verändern oder wie sie dem Wandel widerstehen. Mit der Integration von Wissen aus verschiedenen Bereichen bei der Einschätzung plausibler Zukünfte trägt CLICCS dazu bei, die Vielzahl von Zukunftsszenarien für politische und individuelle Entscheidungen einzugrenzen.
FAQ 3: Wie untersucht CLICCS die gesellschaftliche Plausibilität von Klimazukünften?
Um die Plausibilität bestimmter Klimazukünfte zu untersuchen, haben CLICCS Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler das Social Plausibility Assessment Framework entwickelt – einen Beurteilungsrahmen für die gesellschaftliche Plausibilität. Diese Methode erfasst wichtige Aspekte klimabezogener Veränderungen einschließlich der entscheidenden Treiber (Antriebsfaktoren) gesellschaftlicher Dynamiken und deren begünstigenden oder erschwerenden Rahmenbedingungen, sowie Veränderungen dieser Treiber und Bedingungen. Hieraus wird eine Vermutung über die Plausibilität bestimmter Klimazukünfte abgeleitet.
Der Hamburg Climate Futures Outlook 2021 wendet diese Methode auf die Forschungsfrage an: Ist es plausibel, dass die Welt bis 2050 eine vollständige Dekarbonisierung erreicht? Eine vollständige Dekarbonisierung (deep decarbonization) bedeutet eine Netto-Null-Bilanz von Kohlendioxid-Emissionen, bei der etwa genauso viel Kohlendioxid aufgenommen wie ausgestoßen wird. CLICCS untersucht die folgenden gesellschaftlichen Treiber: Klimapolitik der Vereinten Nationen, transnationale Initiativen, klimabezogene Regulierung, Klimaproteste und Soziale Bewegungen, Gerichtsverfahren zum Klimawandel, Unternehmensstrategien, Kapitalabzug aus fossilen Wirtschaftsbereichen (Divestment), Konsumverhalten, Journalismus und Wissensproduktion.
.
FAQ 4: Welche Belege liefert das Social Plausibility Assessment Framework für ein Erreichen vollständiger Dekarbonisierung bis 2050?
Die für den Hamburg Climate Futures Outlook 2021 durchgeführte Bewertung liefert nur für eine teilweise Dekarbonisierung bis 2050 ausreichend Belege. Die beobachteten Dynamiken gesellschaftlicher Treiber führen derzeit nicht zu den zügigen weitreichenden Umwälzungen, die nötig wären, um eine vollständige Dekarbonisierung bis 2050 zu erreichen. Jedoch zeigt das Bewertungsverfahren, welche Veränderungen die Plausibilität einer solchen Zukunft steigern könnten. Akteurinnen und Akteure verschiedener Bereiche bilden eine Vielfalt politischer, normativer und ökonomischer Ressourcen, die soziale Prozesse weltweit beeinflussen könnten – die global opportunity structure. Diese globale Möglichkeitsstruktur ist flexibel und liefert wichtige Bausteine für die gesellschaftliche Transformation.
Initiativen internationaler Klimapolitik ermöglichen zum Beispiel, Vereinbarungen und Regeln aufzustellen oder entscheidendes Wissen zu gewinnen und zu verbreiten. Gerichtsverfahren zum Klimawandel, soziale Bewegungen und die Medien können eine breitere Unterstützung für den Klimaschutz mobilisieren. Regulierung und Entscheidungen von Unternehmen können den Prozess weiter stärken. Dieser Wandel basiert auf vier grundlegenden Bedingungen: einem weltweiten Impuls für den Klimaschutz, einer Umsetzung klimafreundlicher Gesetze, Regelungen und Infrastrukturen, einer Kombination von sozialem Druck und der Verankerung vollständiger Dekarbonisierung in politischen Programmen, sowie dem Kapitalabzug aus fossilen Wirtschaftsbereichen und der finanziellen Unterstützung von Maßnahmen zur Minderung des Klimawandels.
FAQ 5: Wie plausibel sind die Szenarien mit sehr hohen und sehr geringen Emissionen, die in aktuellen Klimamodellen verwendet werden?
Die wichtigsten derzeit genutzten Szenarien-Systeme wurden nicht mit dem Ziel geschaffen, Wahrscheinlichkeiten von Szenarien zu bewerten. Sie beschreiben eine Vielzahl von Entwicklungspfaden und deren Folgen, können aber nicht als Prognose oder Vorhersage ausgelegt werden.
Für bessere Informationen zur Planung von Aktivitäten zur Minderung und Anpassung an den Klimawandel untersucht CLICCS, ob zukünftige Erwärmungsszenarien, die aus Sicht der Naturwissenschaften möglich erscheinen, auch aus gesellschaftsdynamischer und technologisch-ökonomischer Perspektive plausibel sind. Zukünftige Szenarien, welche die globale Erwärmung unter 1,5 oder 2 Grad Celsius halten, beruhen auf negativen Emissionen – der aktiven Entnahme von Kohlendioxid aus der Atmosphäre. Jedoch sprechen einige wissenschaftliche Erkenntnisse dagegen, dass die hierfür erforderlichen Technologien in ausreichendem Maße umgesetzt werden können. Außerdem sind Zielkonflikte zwischen Negativ-Emissions-Technologien und gesellschaftlichen Entwicklungszielen zu erwarten, etwa der Nahrungsmittelproduktion, der Wasserversorgung oder dem Schutz der Artenvielfalt. Auf der anderen Seite wird davon ausgegangen, dass die globale Erwärmung in Szenarien mit hohen Emissionen für Schäden und Konsumeinbrüche sorgt, die das wirtschaftliche Wachstum bremsen und in der Folge Emissionen verringern. Entsprechend dieser Argumentationslinie ist das Szenario in sich widersprüchlich und dadurch unplausibel.
FAQ 6: Wie interagieren Ziele zur Minderung des Klimawandels und andere Ziele nachhaltiger Entwicklung und wie könnte dies die Plausibilität bestimmter Klimazukünfte beeinflussen?
In politischen Prozessen geraten Ziele der Minderung und Anpassung an den Klimawandel sowie einer nachhaltigen Entwicklung gelegentlich in Widerspruch, begünstigen einander jedoch manchmal auch. Diese Abhängigkeiten werden als Zielkonflikte (trade-offs) beziehungsweise Synergien bezeichnet. Während der Sonderbericht zu 1,5°C globaler Erwärmung des Weltklimarats IPCC weniger Herausforderungen für die Minderung des Klimawandels in Szenarien sieht, die gleichzeitig Wert auf nachhaltige und gerechte Entwicklung legen, betont neuere wissenschaftliche Literatur mögliche Konflikte zwischen Minderungs-Strategien und Nahrungssicherheit oder Artenschutz.
Szenarien einer vollständigen Dekarbonisierung werden plausibler, wenn Synergien zwischen Ziel 13 „Maßnahmen zum Klimaschutz“ und anderen Zielen der Vereinten Nationen für nachhaltige Entwicklung (Sustainable Development Goals, SDGs) existieren. Allerdings nehmen Synergien und Zielkonflikte in verschiedenen Kontexten und Zeiträumen unterschiedliche Formen an. Zum Beispiel spielen Städte eine führende Rolle bei der Minderung und Anpassung an den Klimawandel, schaffen aber auch neue Herausforderungen. So macht dezentrale Siedlung Städte in Bezug auf den Klimawandel widerstandsfähiger – steigert aber auch den Bedarf an Land und Infrastruktur und infolgedessen auch die Treibhausgas-Emissionen. Dichter bebaute Städte tragen dagegen dazu bei, den internen Bedarf an Material und Energie zu verringern und somit den Klimawandel einzugrenzen – doch dies führt auch zu neuen Abhängigkeiten zwischen Städten und ihrem Umland