Plausible Climate Futures
Im Exzellenzcluster für Klimaforschung „CLICCS – Climate, Climatic Change, and Society“ liefern 269 Forschende aus 16 unterschiedlichen Disziplinen Antworten auf die übergeordnete Frage: Welche Klimazukünfte sind möglich – und welche von diesen möglichen Zukünften sind plausibel? Sie erforschen den Klimawandel in einzigartiger Breite.
Mit dem „Hamburg Climate Futures Outlook 2023“ weist der Exzellenzcluster CLICCS nach: Derzeit ist es nicht plausibel – also nicht realistischerweise zu erwarten – dass die Erderwärmung auf maximal 1,5 Grad Celsius begrenzt wird. CLICCS belegt außerdem durch die Analyse von physikalischen Prozessen, die als mögliche Kipppunkte gehandelt werden, dass der gesellschaftliche Wandel zurzeit größeren Einfluss hat als physikalische Kipppunkte.

Mit Hilfe eines eigens entwickelten Bewertungsrahmens hat der Cluster zehn gesellschaftliche Schlüsselfaktoren identifiziert, die eine Abkehr von fossilen Energien bewirken könnten. Keiner dieser Treiber weist derzeit ausreichend in Richtung einer vollständigen Dekarbonisierung der Gesellschaft bis zum Jahr 2050. Dieser weltweit erste Bewertungsrahmen für soziale Dynamiken mündete in eine Mercator-Stiftungsprofessur, die ein neues Forschungsfeld zur gesellschaftlichen Plausibilität von Klimazukünften etabliert.
Interdisziplinär forschen, Plausibilität bewerten
Antworten auf die Frage nach plausiblen Klimazukünften liefern CLICCS Forschende auf vielfältigen Gebieten: So zeigt eine Studie erstmals, dass rings um den Arktischen Ozean künftig drastische Landverluste durch das Tauen des Permafrosts zu erwarten sind. Weiter wurde erstmals nachgewiesen, dass eine riesige Warmwasserblase im Pazifik nicht, wie bislang gedacht, sporadisch auftritt, sondern in den letzten Jahren dauerhaft existierte und eindeutig auf menschengemachte Emissionen zurückzuführen ist. Sie begünstigt extreme Hitzewellen im Nordost-Pazifik.
CLICCS gelang außerdem die weltweit erste Modellierung des globalen Kohlenstoffkreislaufs unter Einbezug der Küsten mit dem Klimamodell ICON-Coast. Mit dessen Hilfe lässt sich zum Beispiel ermitteln, wie viel menschengemachtes CO2 die Küsten künftig zusätzlich aufnehmen können. Die Forschenden bewirkten durch einen transdisziplinären Ansatz die Sensibilisierung und Öffnung für künftige Küstenschutzmaßnahmen im Einklang mit naturnahen Lösungen – eine erfolgversprechende Option für die notwendige Anpassung.
Der Cluster zeigte außerdem, dass eine Mehrheit der Deutschen einer geringen Steuer auf Fleisch zustimmen würde, auch wenn das Ziel einer Verbesserung des Tierwohls die Menschen dabei deutlich mehr überzeugt als der Beitrag zum Klimaschutz. Und: Die seit 1999 etablierte Ökosteuer auf Benzin und Diesel hat massiv CO2 reduziert und damit Deutschland etwa 80 Milliarden Euro eingespart. Die Steuer liegt seit 2003 bei 15 Cent pro Liter, ihr Nutzen galt bisher als zweifelhaft. Eine CLICCS Studie zeigt, dass sowohl Klima als auch Gesundheit profitieren.

Klimaproteste sind ein effektives Mittel, um politische Entscheidungen zu unterstützen. Eine Studie mit 1500 Deutschen zeigte, dass die Bereitschaft zu Teilnahme an einer Klimademonstration von der erwarteten Größe abhängt: Je größer die Demo, desto eher bleiben die Menschen zu Hause. Die dezentrale Strategie von Fridays-for-Future mit kleineren lokalen Protesten motiviert demnach mehr Menschen zur Teilnahme.
In Deutschland nehmen 77 Prozent der Menschen den Klimawandel als „große“ oder „sehr große“ Bedrohung wahr. Das sind 14 Prozent mehr als im Jahr 2014. Kürzlich selbst erlebte Ereignisse spielen eine wichtige Rolle bei der Einschätzung, ob man selbst von Schäden betroffen sein wird. Insgesamt 94 Prozent der Befragten sagten, dass sie bereits heute die Folgen des Klimawandels spüren oder innerhalb der nächsten zehn Jahre mit Folgen rechnen.
Vor allem Einzelpersonen und Haushalte Anpassung an den Klimawandel. Dies zeigt eine Auswertung von weltweit 1400 Studien zur Klimafolgenanpassung. Die systematische Vernetzung verschiedener Akteursgruppen fehlt und die Aufgabenverteilung ist weltweit lückenhaft. Es fehlen Konzepte, um Gesellschaften, Infrastrukturen und Risikomanagement so zu verändern, dass sie besser auf die Auswirkungen des Klimawandels vorbereitet sind. Staatliche und nicht-staatliche Akteure arbeiten selten umfassend zusammen. Dies gefährdet die nötige Transformation, also tiefgreifende, gerechte und nachhaltige Anpassungsmaßnahmen an die Folgen des Klimawandels.
Woher kommt – und wohin geht das CO2?
Tauen die Permafrostböden in der Arktis, setzen sie CO2, aber auch das stärker wirkende Treibhausgas Methan frei. Für eine bessere Abschätzung der künftigen Emissionen untersucht CLICCS verschiedene Prozesse detailliert, um sie in Klimamodellen möglichst genau abzubilden.

Eine dickere aktive Bodenschicht und eine höhere Temperatur des Unterbodens fördern die Zersetzung der organischen Bodensubstanz und damit die Produktion von Methan. Zwar wird Kohlenstoff vor allem als CO2 freigesetzt, in der feuchten Tundra liegt der Anteil von Methan jedoch bei fast sieben Prozent, in trockenen Böden hingegen bei weniger als 0,3 Prozent.
Im Zusammenhang betrachtet, ergibt sich ein anderes Bild: Feuchte und trockene Böden emittieren etwa gleich viel Methan, wenn die Wolkenbildung einbezogen wird. Über feuchten Böden bildet sich eine stärkere Bewölkung, so dass darunter niedrigere Temperaturen entstehen. Das verringert wiederum den Gesamtumsatz des Kohlenstoffkreislaufs und aus dem feuchten Boden tritt weniger Methan aus.
Und wie reagieren die großen Teichlandschaften der Arktis? Hier verursachen Veränderungen in der Vegetation den größten Teil der zusätzlichen Methanemissionen. Durch höhere Temperaturen wird die Vegetation im und um die Teiche üppiger. Dies wiederum fördert die Emission: Die langen Stiele der Pflanzen leiten aus dem Boden entweichendes Methan wie durch einen Strohhalm direkt an die Luft weiter.
Wie können Ernten auch bei steigenden Temperaturen in Zukunft stabil bleiben? CLICCS entwickelt effiziente Anbau-Lösungen im Dialog mit Bäuerinnen und Bauern vor Ort. Feldexperimente in Namibia zeigten, dass Kuhbohnen, die mit effizienten Bakterien zusammen ausgebracht werden, doppelte Erträge erzielen. Akzeptanz für eine Umstellung ist da.