Was unterscheidet den Hamburg Climate Futures Outlook von anderen Studien zu globalen Klimazukünften?
Der Hamburg Climate Futures Outlook bewertet mögliche Klimazukünfte und die damit verbundenen globalen Herausforderungen. Der Outlook stützt sich dabei auf Erkenntnisse aus diesem umfassenden und etablierten Forschungsgebiet sowie auf die Ergebnisse des Outlooks von 2021. Neu ist der integrative Rahmen, mit dem sich jetzt die Plausibilität von Klimazukünften bewerten lässt. Mit Hilfe des CLICCS Plausibility Assessment Framework untersuchen wir die übergreifende Frage: "Was beeinflusst die Plausibilität der Einhaltung der Temperaturziele des Pariser Klimaabkommens?" CLICCS Forschende analysieren die Dynamik gesellschaftlicher Schlüsselfaktoren, so genannter Treiber, und physikalischer Prozesse, die bestimmte Klimazukünfte ermöglichen oder verhindern. Ausgehend von einem theoretischen Modell von Veränderungen gleichen wir die verfügbaren empirischen Daten mit den Hauptannahmen dieses Modells ab. Dabei stammen die Daten aus CLICCS-Forschungsarbeiten, aus systematischen Literaturrecherchen und aus anderen globalen Gutachten wie dem sechsten Sachstandsbericht des IPCC (IPCC, 2021b, 2022b), dem UNEP Emissions Gap Report (UNEP, 2022) und Berichten des Climate Action Tracker (z.B. CAT, 2022b).
Drei entscheidende Aspekte des Hamburg Climate Futures Outlook machen ihn im Vergleich zu vorliegenden Studien einzigartig.
Plausibilität statt Machbarkeit
Einige Studien untersuchen unterschiedliche Aspekte von Klimazukünften auf ihre Machbarkeit. Im IPCC-Sonderbericht zur globalen Erwärmung um 1,5 Grad Celsius (SR1.5; IPCC, 2018b) und zuletzt im AR6 WGIII des IPCC wird Machbarkeit beschrieben als "das Potenzial einer Option zur Minderung des Klimawandels oder zur Anpassung daran, umgesetzt zu werden" (IPCC WGIII AR6 SPM, 2022d, Fußnote 71). Der AR6 WGIII-Bericht beschreibt ausführlich potenzielle Bedingungen und Hindernisse, um bestimmte Minderungsmaßnahmen umzusetzen, insbesondere in Kapitel 3 (Riahi et al., 2022), während der AR6 WGII-Bericht die Voraussetzungen für klima-resiliente Entwicklungspfade in Kapitel 18 (Schipper et al., 2022) bewertet. AR6 bewertet jedoch nicht die gesellschaftlichen Prozesse, die die Plausibilität von Klimazukünften beeinflussen; insbesondere nicht, ob es plausibel ist, dass die Minderungsmaßnahmen in der Zukunft umgesetzt werden. Der vorliegende Outlook bewertet erstmals gesellschaftliche Schlüsselfaktoren—die Treiber—und physikalische Prozesse, und analysiert umfassend, unter welchen Bedingungen diese die Plausibilität einer bestimmten Klimazukunft entweder fördern oder behindern. In diesem Sinne werden nicht nur Hindernisse (oder deren Fehlen), sondern eine ganze Palette von Faktoren berücksichtigt, die eine Entwicklung hin zu oder weg von bestimmten Szenarien beeinflussen – mit dem Ergebnis, dass das Einschlagen eines bestimmten Weges nicht unbedingt plausibel sein muss, auch wenn dieser Weg im Prinzip machbar ist.
Soziale Treiber und physikalische Prozesse bewerten
Im aktuellen Outlook untersuchen wir, ob es plausibel ist, dass bestimmte Emissions- und Temperaturziele erreicht werden. Dazu fassen wir die Analyse von gesellschaftlichen Treibern und von physikalischen Prozessen zusammen. Andere Studien zeigen häufig, was praktisch und technisch nötig ist, um einen Netto-Kohlenstoffausstoß von Null zu erreichen. Dies wäre etwa der Ausstieg aus der Kohleverbrennung und eine Dekarbonisierung von Verkehr und Industrie, wie zum Beispiel im IPCC-Bericht SR1.5 (IPCC, 2018b), im UNEP Emission Gap Report (UNEP, 2022) und im Stockholm Environment Institute (SEI) Production Gap Report (SEI et al., 2021) beschrieben. Wir bewerten im Outlook zehn gesellschaftliche Schlüsselfaktoren, die einen solchen Wandel antreiben würden (Abschnitt 6.1). Was die globale Temperatur betrifft, so hängt es auch von der Klimasensitivität ab, ob das Einhalten der Temperaturziele des Pariser Klimaabkommens plausibel ist. Die Klimasensitivität wiederum wird von den komplexen Wechselwirkungen und Rückkopplungen im Klimasystem beeinflusst. Zur Frage "Was beeinflusst die Plausibilität der Einhaltung der Temperaturziele des Pariser Klimaabkommens?" analysieren wir aktuelle Forschungsergebnisse zu sechs physikalischen Prozessen. Dabei erfüllen die physikalischen Prozesse mindestens eines der folgenden drei Kriterien: der Prozess ist mit großen Unsicherheiten behaftet, der Prozess ist ein potenzielles Kippelement oder der Prozess wird im öffentlichen Diskurs viel debattiert und daher als großes Klimarisiko wahrgenommen (Abschnitt 6.2).
Analytisch statt normativ
Zukunftsforschung sollte nicht nur fragen, welche Zukünfte plausibel sind, sondern letztlich auch erfassen, welche Zukünfte wünschenswert sind. In diesem Sinne nimmt die Zukunftsforschung zum Klima oft eine bewusst normative Haltung ein, die sich häufig auf gesellschaftliche Motive oder Absichten konzentriert, die die Wahrscheinlichkeit eines bestimmten Zukunftsszenarios grundlegend beeinflussen (Robinson, 2003). Die Berichte der Initiative The World in 2050 beispielsweise erforschen wissenschaftliche Strategien und Entwicklungspfade, die das Erreichen bestimmter Ziele zu einem festgelegten Datum ermöglichen, wie zum Beispiel eine umfassende Dekarbonisierung bis 2050 oder die UN-Ziele für eine nachhaltige Entwicklung (Sustainable Development Goals, SDGs) bis 2030 (TWI-The World in 2050, 2018; 2020). Diese Studien liefern umfassende globale Bewertungen, wie und unter welchen Bedingungen bestimmte Zukunftsszenarien erreicht werden können. Sie zeigen, welche Veränderungen und Innovationen nötig sind, um die Entwicklung in Richtung einer gerechten, widerstandsfähigen und nachhaltigen Zukunft für alle zu lenken (TWI-The World in 2050, 2018; 2020). Diese soziale Zielrichtung, die Gesellschaft umzubauen, ist von großer Bedeutung. Der Outlook stellt jedoch das heute verfügbare Wissen zu den relevanten gesellschaftlichen und physikalischen Dynamiken in den Vordergrund. Anders als ein Fahrplan für die Verwirklichung wünschenswerter Zukünfte, besteht der Outlook aus einer integrierten Bewertung der Plausibilität bestimmter Klimazukünfte.
Die Autor:innen
Andrés López-Rivera, Eduardo Gonçalves Gresse, Anna Pagnone, Jan Wilkens, Anita Engels, Jochem Marotzke
Download Box I als PDF, 1,7 MB