Hauptaussagen
Hauptaussagen in Kürze
Den CO2-Ausstoß bis 2050 auf Netto-Null zu reduzieren, ist derzeit nicht plausibel. Vor allem die Strategien von Unternehmen, die Konsumentwicklung und der fehlende Abzug von Finanzmitteln aus fossilen Energien verhindern eine umfassende Dekarbonisierung.
Viele gesellschaftliche Schlüsselprozesse unterstützen zwar die Dekarbonisierung, es fehlt jedoch ein grundlegender Richtungswechsel.
Langfristiger Klimawandel und natürliche Klimaschwankungen zusammen führen zu gravierenden ökologischen und sozioökonomischen Problemen, mit potenziell verheerenden Folgen.
Eine nachhaltige, transformative Anpassung an den Klimawandel ist dringend erforderlich. Derzeit überwiegen jedoch kurzfristige Maßnahmen zur Bewältigung oder Risikominimierung.
Erfolgreiche Strategien zum Klimaschutz müssen inklusiv und vernetzt sein:
- Verschiedene Ebenen und Ressorts müssen zusammenarbeiten, um sich angemessen auf die Folgen des Klimawandels vorzubereiten.
- Unterschiedliche Wissensperspektiven müssen genutzt und gebündelt werden für gerechte Klimaschutzmaßnahmen.
- Politischer, rechtlicher und finanzieller Druck muss für den Ausstieg aus fossilen Brennstoffen eingesetzt werden.
In einer Welt, in der die Treibhausgasemissionen weiterhin steigen, die Temperaturen höher werden und extremere Wetter- und Klimaereignisse auftreten, stehen Gemeinschaften vor großen Herausforderungen. Eine Anpassung an den Klimawandel ist notwendig, aber nicht alle Anpassungsmaßnahmen sind nachhaltig. Einige Maßnahmen verschlechtern sogar die Bedingungen für Anpassung, besonders auf lange Sicht. Nachhaltige Klimaanpassung ist nicht selbstverständlich, denn ob es eine lokale Gemeinschaft schafft, resilienter zu werden, hängt von verschiedenen gesellschaftlichen Faktoren ab. Anhand von neun Fallstudien identifiziert der Hamburg Climate Futures Outlook 2024 die zentralen Rahmenbedingungen für nachhaltige Klimaanpassung und deren Verbindung zu den Klimaschutzzielen. Der aktuelle Outlook bietet eine realistische Einschätzung, die überzogene Erwartungen korrigiert und die gesellschaftlichen Voraussetzungen für effektives Klimahandeln identifiziert.
Unsere Hauptaussagen sind:
- Die aktuelle Bewertung plausibler Klimazukünfte bestätigt erneut, dass eine vollständige Dekarbonisierung, also Netto-Null-CO2-Emissionen bis 2050, derzeit nicht plausibel ist. Daher ist es weiterhin derzeit nicht plausibel, dass die globale Temperaturerhöhung auf 1,5 Grad Celsius begrenzt werden kann, wie es das Pariser Klimaabkommen vorgibt. Zurzeit unterstützt keiner der von uns identifizierten Schlüsselfaktoren – zehn gesellschaftliche Treiber – die vollständige Dekarbonisierung bis 2050.Sechs Treiber unterstützen zwar eine Dekarbonisierung, allerdings nicht ausreichend stark. Dies sind die UN-Klimapolitik, transnationale Zusammenarbeit, klimabezogene Gesetzgebung, Klimaproteste und soziale Bewegungen, Klimaklagen sowie Wissensproduktion. Der Treiber Medien ist ambivalent, zum Teil unterstützt und zum Teil hemmt er die Dekarbonisierung. Der Treiber Divestment, der Abzug von Finanzmitteln aus fossilen Industrien, hat seit 2023 seine Richtung gewechselt, von einem zuvor unterstützenden Treiber hin zu einem, der sich eher wieder von Dekarbonisierung entfernt. Damit behindern drei Treiber – Divestment zusammen mit Unternehmensstrategien und Konsumverhalten – gegenwärtig die vollständige Dekarbonisierung bis 2050.
- Gesellschaftliche Treiber stehen in unterschiedlichen Wechselbeziehungen zueinander und beeinflussen sich gegenseitig. Alle Schlüsselfaktoren zeigen eine Zunahme in ihrer Dynamik, was zu mehr Klimaschutz beiträgt und auch Ressourcen für jeweils andere Treiber schafft, so etwa durch neue Gerichtsurteile, neue Formen von Wissen oder stärkeren Druck auf die Politik. Doch trotz dieser Fülle an Ressourcen ändern sich die strukturellen und institutionellen Rahmenbedingungen der Schlüsselfaktoren nur wenig, und die nötige qualitative Transformation hin zu einer vollständigen Dekarbonisierung erfolgt derzeit nicht. Einige Treiber zeigen, dass verfügbare Ressourcen auch genutzt werden, um Klimaschutz zu untergraben.
- Interne Klimaschwankungen entstehen spontan und zufällig innerhalb des Klimasystems. Diese interne Variabilität muss explizit berücksichtigt werden, um extreme Ereignisse und ihre Veränderungen besser vorhersagen zu können. Die Qualität dieser Vorhersagen wird von den Unsicherheiten und Beschränkungen der Klimamodelle beeinflusst. Gemeinschaften, die sich an den Klimawandel anpassen müssen, sollten diese Einschränkungen kennen und verstehen. Sie müssen sich an Extremereignisse anpassen, die erheblich von einer internen Klimavariabilität beeinflusst werden. Umfassendes Wissen beeinflusst, wie effektiv und nachhaltig – in Bezug auf Zeitplanung, Konzept und Kosten – Strategien zur Anpassung an extreme Ereignisse und Katastrophen entwickelt werden können.
- Das Zusammenspiel von Klimawandel und interner Variabilität kann Ökosysteme und sozioökonomische Systeme stärker beeinträchtigen als der Klimawandel allein – mit potenziell verheerenden Folgen. Für extreme Wetterereignisse, die auch in Kombination gebündelt auftreten können, müssen Anpassungsstrategien entwickelt werden. Ereignisse in landwirtschaftlichen „Kornkammern“ können zum Beispiel die Ernährungssicherheit regional und weltweit gefährden. Starkregen und schwere Überschwemmungen können Todesfälle verursachen, Infrastruktur zerstören und hohe Kosten verursachen. Hitzewellen in Ozeanen können Ökosysteme zerstören und haben enorme Folgewirkungen für die lokale Bevölkerung.
- Die Analyse von neun Fallstudien identifiziert die wesentlichen Faktoren, die beeinflussen, ob eine nachhaltige Klimaanpassung plausibel ist. Zum Beispiel müssen anhaltende politische Konflikte, gesellschaftliche Ungleichheit und weitere strukturelle Probleme bearbeitet werden, damit nachhaltige Anpassung plausibel wird. Gleichzeitig sollten soziokulturelle Kapazitäten gestärkt werden, um die Lücke zwischen fehlenden Möglichkeiten zur Anpassung und der Anfälligkeit für Klimarisiken vor Ort zu schließen. Klimafreundliche Gesetze, Regeln und Pläne für Anpassungsmaßnahmen reichen nicht aus, solange nicht die beteiligten Menschen vor Ort eingebunden sind und die Maßnahmen auch in die Praxis umgesetzt werden. Gleichzeitig sollten Konzepte zur Anpassung klare Indikatoren und messbare Ziele aufweisen, die wissenschaftlich fundiert sind und auf den Grundsätzen von Klimagerechtigkeit basieren. Die Faktoren, die eine nachhaltige Klimaanpassung ermöglichen, sollten dringend gestärkt werden.
- Eine Schlüsselrolle spielen gesellschaftliche Akteure und lokale Gemeinschaften. Mit partizipativen, ehrlich gemeinten und aktivierenden Angeboten sollte um ihre Beteiligung geworben werden. So können gesellschaftliches Engagement verstärkt und die politisch Verantwortlichen zur Rechenschaft gezogen werden. Es gibt großes Potenzial für einen kollektiven gesellschaftlichen Einsatz, um gemeinsam Wissen zu erzeugen und eine nachhaltige Klimaanpassung umzusetzen. Praktische Erfahrungen und lokales Wissen im Umgang mit Extremereignissen und Klimarisiken sind wichtige Grundlagen für die Politik, wenn sie Anpassungsmaßnahmen mit nachhaltiger Entwicklung, Gesundheit und Wohlbefinden erfolgreich in Einklang bringen will.
- Nachhaltige Klimaanpassung erfordert erhebliche Veränderungen auf verschiedenen Ebenen. Dafür müssen die Wechselwirkungen zwischen den Strategien zur CO2-Reduzierung und zur Anpassung an die Folgen des Klimawandels besser verstanden und beachtet werden. Lokale und soziokulturelle Aspekte bei der Konzeption und Umsetzung von Anpassungsstrategien sind wesentlich. Zielkonflikte und potenzielle Synergien sollten bedacht werden. Bestehende nicht nachhaltige Anpassungsstrategien sollten hinterfragt werden, wenn sie auf lange Sicht Irrwege festschreiben. Mehr gesellschaftliche Unterstützung und politisches Handeln ist erforderlich, um strukturelle Transformationen zu erreichen.
- Die Diskrepanz zwischen den vereinbarten Klimazielen und der Umsetzung dieser Ziele besteht fort. Unsere empirischen Analysen zeigen dafür Gründe auf: (1) bestehende Machtverhältnisse und Ungleichheiten, (2) Unterschiede im Verständnis, in der Interpretation und der Übersetzung von klimabezogenen Normen und Praktiken, (3) fehlende politische Kohärenz auf verschiedenen Ebenen der Klimapolitik, (4) Klimaschutz und Klimaanpassung sind vielschichtige und vertrackte Probleme. Darüber hinaus ist ungewiss, wie sich gesellschaftliche und physikalische Prozesse in Zukunft entwickeln und wie deren globale und lokale Dynamiken zusammenwirken werden. Dies alles beeinflusst auf unterschiedliche Weise, ob nachhaltige Klimaanpassung plausibel wird.
Es gibt niemals nur ein einziges Klimaziel oder nur einen Weg, dieses Ziel zu erreichen. Für einen qualitativen Sprung in Richtung CO2-Reduzierung und nachhaltige Klimaanpassung ist es genauso wichtig, hemmende Faktoren zu bekämpfen wie förderliche Prozesse zu stärken. Für den Erfolg von praktischen Klimaschutz- und Anpassungsmaßnahmen ist es entscheidend, verschiedene Wissensformen, etwa aus der lokalen Bevölkerung oder von Indigenen Gruppen, einzubeziehen. Effektives Handeln wird möglich, indem soziale Ungleichheiten reduziert, gerechte Aushandlungsprozesse gefördert und Synergien genutzt werden.
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