Die Planck-Rückkopplung stabilisiert die globale Oberflächentemperatur
Diese Box adressiert Bedenken im öffentlichen Diskurs, dass sich die globale Erwärmung zu einer galoppierenden Klima-Instabilität entwickeln könnte, ähnlich den vermuteten Abläufen auf der Venus im frühen Sonnensystem (z. B. Ingersoll, 1969). Solche Bedenken werden besonders oft in Verbindung mit dem Auftauen des Permafrosts diskutiert, wodurch große Mengen CO2 und Methan (CH4) als Treibhausgase zusätzlich in die Atmosphäre gelangen würden (Sektion 6.2.1). Um diese Diskussion auf wissenschaftliche Grundlagen zu stützen, betrachten wir zunächst die Rückkopplungsprozesse im Klimasystem generell.
Rückkopplungen (Feedbacks) im Klimasystem können den Klimawandel verstärken und einen destabilisierenden Effekt haben, oder sie können den Klimawandel dämpfen und stabilisierend wirken. Im technischen Sprachgebrauch nennt man eine verstärkende Rückkopplung „positiv“ und eine dämpfende Rückkopplung „negativ“. Das steht in starkem Gegensatz zum alltäglichen Gebrauch dieser Begriffe bei dem ein „positives Feedback“ als eine „ermutigende Rückmeldung“ verstanden wird und einen positiven Beiklang hat. Im technischen Sprachgebrauch verursacht dagegen eine positive Rückkopplung Instabilität und hat meistens einen negativen Beiklang.
Eine große Aufgabe der physikalischen Klimawissenschaften ist es, die Größenordnung dieser Rückkopplungsprozesse zu bestimmen, insbesondere solcher Prozesse, die die globale Temperatur der Erdoberfläche beeinflussen (z. B. Forster et al., 2021, WGI AR6 Kapitel 7). Eine positive Rückkopplung mit Einfluss auf die globale Temperatur verstärkt demnach – je nach Emissionsmenge – die Erwärmung der Erdoberfläche und behindert dadurch das Einhalten der Temperaturziele des Parisers Klimaabkommens. Eine negative Rückkopplung reduziert dagegen die Oberflächenerwärmung und fördert das Einhalten der Temperaturziele.
So führt zum Beispiel ein Auftauen des Permafrosts zu einer positiven Rückkopplung: Eine Erwärmung der Erdoberfläche führt zu steigenden Konzentrationen der Treibhausgase CO2 und CH4 in der Atmosphäre, die aus dem Permafrost entweichen, und so wiederum einen weiteren Temperaturanstieg begünstigen (z.B. Canadell et al., 2021, WGI AR6 Kapitel 5; Sektion 6.2.1). Dieser Rückkopplungseffekt behindert das Einhalten der Temperaturgrenzen des Pariser Klimaabkommens. Gleichzeitig gilt ein Auftauen des Permafrosts als mögliches Kippelement (z. B. Lee et al., 2021, WGI AR6 Kapitel 4), von dem befürchtet wird, dass es eine galoppierende Klima-Instabilität verursachen könnte (z. B. Canadell et al., 2021, FAQ 5.2). Allerdings wird sowohl im öffentlichen als auch in Teilen des wissenschaftlichen Diskurses übersehen, dass das Klimasystem gleichzeitig eine dominante negative Rückkopplung aufweist. So führt ein globaler Temperaturanstieg dazu, dass mehr Energie an das Weltall abgegeben wird, wodurch das Klima wiederum gekühlt wird. Diese Rückkopplung wird auch "Planck-Response" (Planck-Rückkopplung) genannt (z. B. Forster et al., 2021, WGI AR6 Kapitel 7). Der Effekt ist eine grundlegende „ermöglichende“ physikalische Bedingung für jedes Klimaziel, da er das globale Klima stabil hält, wenn auch bei erhöhten Temperaturen – je nach Menge der von der Menschheit verursachten CO2-Emissionen. Die positive Rückkopplung des tauenden Permafrosts wirkt der Planck-Rückkopplung entgegen, ist aber im heutigen Klima viel schwächer als die Planck-Rückkopplung (Canadell et al., Figure 5.29c und Forster et al., 2021, vergl. Table 7.10).
So kann ein Tauen des Permafrosts zwar die Erderwärmung verstärken und behindert damit das Einhalten der Pariser Klimaziele, kann aber keine galoppierende Klima-Instabilität verursachen (z. B. Canadell et al., 2021, FAQ 5.2). Die Instabilität wird durch die Planck-Rückkopplung verhindert.
Der Autor
Jochem Marotzke
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