and Society (CLICCS)
Fossile CO2-Emissionen erreichen neues Rekordhoch
5. Dezember 2023, von Ludwig-Maximilians-Universität München / CLICCS

Foto: jplenio/pixabay
- Der neue Bericht des Global Carbon Project zeigt: Die fossilen CO2-Emissionen werden 2023 ein Rekordhoch erreichen.
- Bleiben die Emissionen so hoch, wird das verbliebene Kohlenstoffbudget zur Einhaltung der 1,5°C-Grenze voraussichtlich in sieben Jahren aufgebraucht sein.
- Erstmals wurde die CO2-Prognose für die kommenden Jahre mit Hilfe von Erdsystemmodellen erzeugt.
Die verbleibende Zeit, um die Klimaziele des Pariser Abkommens zu erreichen, läuft immer schneller ab. Dies zeigt die jährliche Bilanz des Global Carbon Projects (GCP), ein Zusammenschluss internationaler Wissenschaftler mit starker deutscher Beteiligung, an dem auch Prof. Julia Pongratz und Clemens Schwingshackl von der LMU sowie Prof. Tatiana Ilyina und Dr. Hongmei Li vom Exzellenzcluster für Klimaforschung CLICCS von der Universität Hamburg beteiligt waren. Demnach werden sich die fossilen CO2-Emissionen im Jahr 2023 voraussichtlich auf 36,8 Milliarden Tonnen summieren und ein neues Rekordniveau erreichen, das 1,1 Prozent (%) über den Werten von 2022 liegt.
Regional waren die Trends sehr unterschiedlich: Während die fossilen Emissionen in Indien und China anstiegen (+8,2% bzw. + 4,0%), sanken sie in Europa und den USA (-7,4% bzw. -3,0%), und geringfügig auch im Rest der Welt (-0,4%). Für Europa etwa begründen die Autorinnen und Autoren den Rückgang mit dem Ausbau der erneuerbaren Energien und den Auswirkungen der Energiekrise. Das Wachstum in China sei teilweise auf eine verzögerte Erholung von den Auswirkungen der COVID-bedingten Lockdowns zurückzuführen.
Globale CO2-Emissionen weit entfernt von den erforderlichen Einsparungen
Zusammen mit den Emissionen aus der Landnutzung belaufen sich die globalen CO2-Emissionen 2023 auf etwa 40,9 Milliarden Tonnen. Dies ist weit entfernt von Einsparungen, die nötig wären, um die Pariser Klimaziele zu erreichen, so die Autorinnen und Autoren. Zwar sei die Schätzung des verbleibenden Kohlenstoffbudgets mit großen Unsicherheiten behaftet, dennoch sei klar, dass die Zeit schnell ablaufe: Wenn das derzeitige Niveau der CO2-Emissionen anhält, könnte das verbleibende Kohlenstoffbudget für eine 50%ige Chance, die Erwärmung auf 1,5°C zu begrenzen, in sieben Jahren und für 1,7°C in 15 Jahren aufgebraucht sein. „Es erscheint unausweichlich, dass wir das 1,5°C-Ziel überschreiten werden – und die letzten Jahre haben uns drastisch vor Augen geführt, wie gravierend die Folgen des Klimawandels bereits jetzt sind. Von den Staats- und Regierungschefs auf der Klimakonferenz in Dubai müssen deutlich höhere Anstrengungen bei der Emissionsreduktion beschlossen werden, um wenigstens das 2°C-Ziel noch einzuhalten“ sagt Julia Pongratz, Professorin für Physische Geographie und Landnutzungssysteme an der LMU.
Erstmals Prognose mit Klimarechenmodellen gelungen
Für 2023 schätzen die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler, dass etwa die Hälfte des emittierten CO2 durch Senken an Land und im Meer absorbiert wird. Der Rest gelangt in die Atmosphäre, deren CO2-Gehalt dadurch auf einen Jahresmittelwert von etwa 419 ppm (parts per million) ansteigen wird.
Diese CO2-Abschätzung für das Jahr 2023 wurde jetzt erstmals durch ein Team um Tatiana Ilyina und Hongmei Li vom Exzellenzcluster für Klimaforschung CLICCS der Universität Hamburg mit Erdsystemmodellen erzeugt. Die jährlichen Schwankungen des atmosphärischen CO2 werden dadurch unter Berücksichtigung der Schwankungen der Kohlenstoffsenken an Land und im Ozean berechnet. Dies ist für potenzielle Klimazukünfe äußerst relevant. „Was passiert mit dem CO2, wenn die Emissionen einmal sinken? Es ist nicht klar, wie sich die Senken an Land und im Ozean dann verhalten“, sagt Tatiana Ilyina. „Mit Hilfe der Modelle können wir hier eine robuste Prognose abgeben.“
In Bezug auf die Landsenke machte sich vermutlich bereits das Wetterphänomen El-Niño bemerkbar, das Mitte 2023 begonnen hat: Mit 10,4 Milliarden Tonnen CO2 nahm die Landsenke wesentlich weniger CO2 auf als in den vorigen Jahren, in denen sie durchschnittlich 12,3 Milliarden Tonnen absorbierte. „In El-Niño-Jahren schwächelt die Landsenke, weil Regionen wie der Amazonas und Südostasien von Dürre und Feuern betroffen sind“, sagt Pongratz.
Neue Zahlen auf COP28 vorgestellt
Der Ozean reagiert entgegengesetzt, auch wenn die Variationen von Jahr zu Jahr weniger stark ausfallen als an Land. Nach den außergewöhnlichen drei La Niña-Jahren in Folge (2020-2022), in denen die Ozeansenke nicht zugenommen hat, ist für 2023 erstmals wieder ein Anstieg der CO2 Aufnahme im Ozean auf 10.6 Milliarden Tonnen CO2 prognostiziert. „In La-Niña-Jahren verschieben sich die Ozeanströmungen im äquatorialen Pazifik so, dass große Mengen kohlenstoffreichen Tiefenwassers an die Oberfläche kommen und damit weniger anthropogenes CO2 aufgenommen werden kann“, sagt Judith Hauck vom Alfred-Wegener-Institut, Helmholtz-Zentrum für Polar- und Meeresforschung in Bremerhaven, die die Abschätzungen der Ozeansenke koordiniert.
Die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler vermuten, dass sich der Einfluss von El Niño auf die CO2-Senken an Land und im Meer in den kommenden Monaten weiter verstärkt und insgesamt zu einem stärkeren Wachstum der atmosphärischen CO2-Werte im Jahr 2024 führt.
Der Bericht über das globale Kohlenstoffbudget, der von einem internationalen Team von mehr als 120 Wissenschaftlern erstellt wird, bietet eine jährliche, von Fachleuten überprüfte Aktualisierung, die auf bewährten Methoden aufbaut und vollständig transparent ist. Er wird am 5. Dezember auf einer Pressekonferenz im Rahmen der 28. UN-Klimakonferenz in Dubai vorgestellt, bei der sich Vertreter aus über 200 Staaten treffen, um über die Umsetzung des Pariser Klimaabkommens zu beraten.
Publikation
Friedlingstein et al. (2023): Global Carbon Budget 2023. Earth System Science Data, DOI: https://doi.org/10.5194/essd-15-5301-2023
Kontakt:
Prof. Dr. Tatiana Ilyina
Universität Hamburg
CLICCS – Exzellenzcluster für Klimaforschung
E-Mail: tatiana.ilyina"AT"uni-hamburg.de
Prof. Dr. Julia Pongratz
Ludwig-Maximilians-Universität München
Tel: +49 (0) 89 / 2180 - 6652
E-Mail: julia.pongratz"AT"lmu.de
Stephanie Janssen
Universität Hamburg
CLICCS – Exzellenzcluster für Klimaforschung
CEN – Centrum für Erdsystemforschung und Nachhaltigkeit
E-Mail: stephanie.janssen"AT"uni-hamburg.de
+49 (0) 40 42838 7596
Aus dem deutschsprachigen Raum sind Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler und des Alfred-Wegener-Instituts (Bremerhaven), der ETH Zürich, des GEOMAR Helmholtz-Zentrums für Ozeanforschung (Kiel), des International Institute for Applied Systems Analysis (IIASA), des Karlsruhe Institut für Technologie, des Leibniz-Instituts für Ostseeforschung (Warnemünde) der Ludwig-Maximilian-Universität (München), des Max-Planck-Instituts für Meteorologie (Hamburg), des Max-Planck-Instituts für Biogeochemie (Jena), des Potsdam Instituts für Klimafolgenforschung, der Universität Bern und der Universität Hamburg beteiligt, die mit Ozeanbeobachtungen, Modellsimulationen von Ozean, Land und Atmosphäre sowie Analysen zu dem Bericht beitrugen.