and Society (CLICCS)
Erzähl keine Märchen, Chatbot!
21. Juli 2025, von Stephanie Janssen

Foto: Franziska Neigenfind
Künstliche Intelligenz revolutioniert zurzeit fast alle Bereiche. Dr. Christopher Kadow arbeitet am Deutschen Klimarechenzentrum daran, KI in der Klimaforschung zu nutzen. Im Interview erzählt er, wie man dem Bot das Fabulieren austreibt.
Was kann KI in der Klimaforschung leisten?
Christopher Kadow: Um das Klima und die kommenden Veränderungen verstehen und berechnen zu können, sind wir auf systematische Messreihen angewiesen – und zwar zu ganz unterschiedlichen Größen wie Temperatur oder Niederschlag. Aber solche Aufzeichnungen gibt es oft noch nicht lange und schon gar nicht überall. KI kann da helfen.
Mit KI ermitteln Sie also fehlende Klimadaten aus der Vergangenheit. Wie funktioniert das?
Am Deutschen Klimarechenzentrum haben wir eine riesige Datenbasis. Unsere Supercomputer haben in den letzten 30 Jahren mit verschiedenen Klimamodellen zu ganz unterschiedlichen Fragestellungen gerechnet. Diese Modelle beschreiben dabei mit physikalischen Formeln möglichst genau die Klimaprozesse und erzeugen dabei Datenpunkte für die ganze Welt. Und das ist ein riesiger Datenschatz, mit dem wir die KI systematisch trainiert haben. Wenn wir das Programm heute mit einer Messreihe füttern, die Lücken hat, können wir die KI bitten, diese zu füllen. Das klappt ganz ausgezeichnet – was wir natürlich mit echten Messdaten aus der Vergangenheit überprüft haben.
Werden Sie demnächst auch Fragen der Zukunft beantworten können?
In Testläufen untersuchen unsere Kolleginnen und Kollegen an der Universität zurzeit eigene Forschungsfragen, wie zum Beispiel Wasserstände in der Nord- und Ostsee oder Klimavorhersagen. Das Feedback aus der Community ist für uns sehr hilfreich. Gerade verbinden wir zum Beispiel solche KI-Vorhersagesysteme mit Chatbots wie ChatGPT. Damit könnten sich die Leute mit dem Programm unterhalten und direkt Zukunftsfragen beantwortet bekommen. Das wird viel Komplexität aus der Kommunikation nehmen und eröffnet neue Möglichkeiten für die Forschung.
Wie gehen Sie mit den gefürchteten Halluzinationen um, wenn Chatbots einfach etwas erfinden?
Wir sagen dem Chatbot, nimm bitte nur die Daten, die wir dir geben – und denke dir nichts aus. Das finetunen wir gerade. Wir nutzen zwar den Sprachbot, bauen aber eine spezielle Schnittstelle ein, die eine klimawissenschaftliche Frage direkt in Code übersetzen kann. Diesen Programmiercode führt die Maschine dann auch gleich aus – und sucht sich die relevanten Daten dafür aus unserem großen Datenbestand.
Zur Lösungsfindung wird also nur auf interne Daten zugegriffen. Ist damit ein seriöses Ergebnis garantiert?
Das Ergebnis ist sogar reproduzierbar – und nicht wie beim reinen Chatbot jedes Mal leicht anders. Wir bringen dem Chatbot gerade bei, wissenschaftlich zu programmieren. Wir sagen ihm: Statt dir was auszudenken, wirf diesen Code an. Wenn ich dies fünf Mal ausführen lasse, kommt auch fünf Mal dasselbe raus – auch wenn der Code jedes Mal anders aussieht. Der Bot denkt sich zwar den Code aus, aber wenn der falsch ausgeführt ist, streikt der Computer und meldet einen Fehler.
Wie sieht Forschung in zehn Jahren aus?
Die Bots werden dann eigenständig forschen. Sie sind ein normaler Teil von wissenschaftlichen Teams, nehmen an Meetings teil, machen Vorschläge und bringen Themen kreativ voran.
Der Artikel wurde im CLICCS Quarterly veröffentlicht, den Forschungsnews des Exzellenzclusters "Klima, Klimawandel und Gesellschaft".
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Dr. Christopher Kadow ist Experte für Künstliche Intelligenz in den Klimawissenschaften und leitet die Abteilung Datenanalyse bei unseren Partnern am Deutschen Klimarechenzentrum DKRZ.