and Society (CLICCS)
UNESCO-Lehrstuhl an der Universität Hamburg„Klimawandel braucht eine persönliche Erfahrung“
6. März 2024, von Stephanie Janssen
Foto: Beate Ratter
Die Geografin Prof. Beate Ratter erforscht seit vielen Jahren Anpassungsmaßnahmen auf kleinen Inseln, die als vom Klimawandel besonders bedroht gelten. Anfang 2024 wird für sie der UNESCO-Lehrstuhl „Gesellschaftliche Klimaforschung und Resilienz“ an der Universität Hamburg eingerichtet.
Frau Ratter, Klimaveränderungen sind überall spürbar. Sie möchten vom Wissen zum Handeln kommen. Wie werden Sie diesen Ansatz in den nächsten vier Jahren verfolgen?
Der UNESCO-Lehrstuhl bietet ein großes Netzwerk, aus dem ich schöpfen kann und mit dem ich mich austauschen möchte. Aus meiner Forschung weiß ich, dass der Klimawandel den meisten Menschen zwar bewusst ist, aber abstrakt bleibt. Um gegen den Klimawandel aktiv zu werden, braucht es oft ein Erlebnis, das auf eine persönliche Weise mobilisiert. Dafür haben wir Konzepte entwickelt, die ich für kleine Inseln anpassen und mit Expertinnen und Experten weltweit teilen möchte.
Eine Naturkatastrophe in der eigenen Region hinterlässt sicher Eindruck, auch wenn man dies niemanden wünschen möchte. Aber wie lassen sich Klimaerlebnisse künstlich erzeugen?
Wir haben für deutsche Inseln und Küstenregionen der Nordsee erfolgreich verschiedene Maßnahmen und Workshops entwickelt, die wir lokal immer neu anpassen. Um ins Gespräch zu kommen, machen wir zum Beispiel Erlebnis-Rundgänge mit Insulanerinnen und Insulanern zu einzelnen Orten, an denen der Klimawandel schon sichtbar und spürbar ist.
Welche Wirkung hat das?
Ein Beispiel: Eine Befragung im September 2022 hat gezeigt, dass ein Großteil der Bevölkerung von Norderney den Klimawandel für sich nicht als Problem sieht. Wer an einem unserer Rundgänge teilnimmt, läuft ohne es zunächst zu merken über eine unterirdische Wasserlinse, die die Versorgung mit Trinkwasser sicherstellt. Bei fortschreitender Erosion der schützenden Dünen und häufigeren Sturmfluten ist es möglich, dass hier Salzwasser eindringen könnte – was das Reservoir für Jahrzehnte unbrauchbar machen würde. Besprechen wir das Thema, sehen viele den Ort anschließend anders. Wenn sie jetzt vorbeikommen, denken sie an die Wasserversorgung, die möglicherweise durch den Klimawandel gefährdet ist.
Solche Konzepte möchten Sie internationalisieren und für kleine Inseln wie Trinidad, die Seychellen oder die Marshall Inseln weltweit anpassen. Wie kommen die Menschen anschließend ins Handeln?
Der Kontakt mit verschiedensten Personen vor Ort ist die Grundlage meiner Arbeit. Wir wissen aus unserer Forschung im Exzellenzcluster CLICCS, dass sinnvolle Maßnahmen zur Anpassung an den Klimawandel nicht funktionieren, wenn sie an der lokalen Bevölkerung vorbei konzipiert werden. Die Wissenschaft erforscht, welche Maßnahme konkret welche Folgen hat. Aber beschlossen werden die Lösungen vor Ort und umgesetzt in der Gemeinschaft. Wer sich dabei als handlungsfähig und wirkmächtig erlebt, ist nachweislich stärker motiviert.
Bleibt dies nicht ein Tropfen auf den heißen Stein?
Es ist wichtig, das Klimawandelproblem nicht allein der Politik zu überlassen, sondern auch selbst aktiv zu werden. Gemeinsame Erlebnisse vor Ort motivieren und mobilisieren. Wir arbeiten mit lokalen Gruppen, Schulen und Universitäten zusammen, entwickeln Werkzeuge und Infomaterial und suchen lokale Multiplikatoren. So möchten wir Strukturen etablieren, um selbstbestimmt und nachhaltig auf Herausforderungen durch den Klimawandel reagieren zu können. Im Idealfall kann das Konzept als reisende Idee immer weiter getragen werden.
Der Anstieg des Meeresspiegels ist für einige Inseln eine Existenzfrage. Allein auf Anpassungen an den Klimawandel wollen Sie sich aber nicht konzentrieren.
Das stimmt. Ich möchte die jeweils dringendsten Probleme der Menschen vor Ort erfahren. Manche Inseln kämpfen mit Verschmutzung durch Plastikmüll. Auf den Salomonen im Südpazifik sind die reichhaltigen Holzvorkommen auf den Vulkanbergen ins Interesse von China geraten. Der Export wäre wirtschaftlich interessant für den Inselstaat, aber gleichzeitig bedeutet die Abholzung des Regenwaldes auch Verlust an Biodiversität und Widerstandfähigkeit, also Resilienz. Denn kahle Landflächen können bei tropischen Zyklonen zu Hangrutschungen führen, die ganze Siedlungen unter sich begraben.
Auch Mangroven-Wälder an tropischen Küsten sind eine wichtige Ressource der Küstengemeinden, aber viele sind gefährdet. Mangroven binden nicht nur mehr als dreimal so viel CO2 wie Tropenwälder, sie liefern nicht nur Bau- und Feuerholz, sie liefern auch Nahrung in Form von Fisch, Muscheln und Krebsen. Darüber hinaus sind Mangroven aber ganz entscheidend für den Küstenschutz. Mangroven bremsen die Wellendynamik des Meeres, damit wird die Erosion eingeschränkt und das wiederum steigert gleichzeitig die Resilienz. Der Umgang mit dem Klimawandel ist ein gesamtgesellschaftliches Problem. Wenn wir es schaffen, sogenannte transformative Anpassungsmaßnahmen zu entwickeln, die keine unerwünschten Nebenwirkungen haben, dann schützen diese oft gleichzeitig das Klima.
Pressemitteilung: UNESCO Lehrstuhl für Beate Ratter
Beate Ratter ist Professorin für Integrative Geografie und hält seit Januar 2024 den UNESCO-Lehrstuhl „Gesellschaftliche Klimaforschung und Resilienz“. Sie forscht an der Universität Hamburg im Centrum für Erdsystemforschung und Nachhaltigkeit CEN und im Exzellenzcluster für Klimaforschung CLICCS. Ratter erforscht seit vielen Jahren Anpassungsmaßnahmen auf kleinen Inseln, die als vom Klimawandel besonders bedroht gelten.