and Society (CLICCS)
Treibhausgase aus der ArktisWinterexpedition nach Grönland gestartet
4. April 2024, von Christina Steffens

Foto: Lars Kutzbach
Wissenschaftler:innen aus dem Exzellenzcluster „Klima, Klimawandel und Gesellschaft" (CLICCS) und dem Verbundprojekt MOMENT erforschen gemeinsam, welche Faktoren den Kohlenstoffkreislauf im Allgemeinen und den Methanhaushalt im Speziellen im Blæsedalen („windiges Tal“) auf der Disko-Insel in Grönland beeinflussen. In diesem Jahr startet die Expedition bereits im April, wenn im Tal noch Winter herrscht, denn für ein vollständiges Verständnis des Kohlenstoffkreislaufs und der Methanflüsse müssen möglichst alle Jahreszeiten erfasst werden.
Bereits im Jahr 2022 wurde die Disko-Insel als für Hamburger Wissenschaftler:innen neues arktisches, vom Permafrost beeinflusstes Forschungsgebiet erstmalig erkundet und die Kooperation mit der nördlich von Qeqertarsuaq gelegenen Forschungsstation „Arctic Station UC“ aufgebaut. Im vergangenen Jahr wurden die Feldlabore beider Projekte im Frühsommer eingerichtet und erste umfangreiche Messungen bis in den Herbst hinein durchgeführt. In diesem Jahr sind nun weitere Messungen bereits im April geplant, wenn der Boden noch vollständig gefroren und von einer geschlossenen Schneedecke bedeckt ist. Ein heimischer Jäger passt auf, dass es keine Zwischenfälle mit Eisbären gibt und sorgt so für die Sicherheit der Forschenden während dieser Winterexpeditionen.
Was passiert mit dem gelösten Kohlenstoff im schmelzenden Schnee?
Dieser Frage möchten Dr. Evan Wilcox und Oliver Kaufmann vom Institut für Bodenkunde der Universität Hamburg (CLICCS Projekt A1) nachgehen und reisen dafür von April bis Juni auf die Diskoinsel in Grönland. „In diesem Frühjahr verfolgen wir zwei Ziele: Wir wollen die Menge an Kohlenstoff abschätzen, die von einem unvergletscherten Quellbach im Blæsedalen exportiert wird, und untersuchen, wie sich die Bodeneigenschaften auf die Infiltration von Schneeschmelzwasser auswirken“, sagt Dr. Evan Wilcox. Die Forschenden werden am Anfang des Bachlaufs Wasserproben entnehmen, vor und nach der Schneeschmelze Bodenproben nehmen und Bodenporenwasser extrahieren. Die Proben werden im Labor analysiert. Die Wissenschaftler:innen erfassen dabei die Konzentration des gelösten Kohlenstoffs, und führen auch tiefergehende Kohlenstoff- und Wasserisotopenanalysen durch. Isotope sind Atome eines Elements, die sich aufgrund unterschiedlicher Neutronenzahlen in ihrem Gewicht unterscheiden. Die Ergebnisse erlauben eine Abschätzung darüber, welcher Prozentsatz des Bodenwassers durch die Schneeschmelze ersetzt wurde und welchen Anteil das Bodenwasser und das Wasser aus der Schneeschmelze am Bachwasser haben. Die gewonnenen Daten werden Aufschluss darüber geben, wie sich der Kohlenstoffhaushalt auf der Disko-Insel verändert, wenn bedingt durch den Klimawandel die Schneemengen in der Region sich nachhaltig verändern.
Welche Faktoren beeinflussen die Methanemissionen?
Dieser Fragen geht das Verbundprojekt „MOMENT“ nach. Im vergangenen Jahr erfassten die Wissenschaftlerinnen des Instituts für Bodenkunde der Universität Hamburg die Methanflüsse an der Bodenoberfläche entlang dreier Feuchtegradienten und im Bereich von charakteristischen Sonderstrukturen. In diesem Jahr setzt Selina Undeutsch die Messungen Anfang Mai fort, um möglichst alle Jahreszeiten abzubilden.
Prof. Dr. Susanne Liebner und Dr. Claudia Bruhn vom Deutschen GeoForschungsZentrum, Helmholtz-Zentrum Potsdam werden im April die gleichen Standorte wie im vergangenen Jahr im Juli und September aufsuchen und ein drittes und letztes Mal beproben. Diese Bodenproben werden anschließend im Labor für molekularbiologische Analysen aufbereitet. „Wir möchten herausfinden, was mit dem Mikrobiom des Bodens im Winter passiert, wenn der ganze Boden gefroren ist“, erklärt Dr. Claudia Bruhn.
Bill Cable vom Alfred-Wegener-Institut, Helmholtz-Zentrum für Polar und Meeresforschung in Potsdam (AWI Potsdam) und Dr. Lars-Hendrik Mewes, Schneephysiker am SLF in der Schweiz, werden im April die räumliche Verteilung der Schneedecke erfassen und die Schneemikrostruktur und die thermischen Eigenschaften der Schneedecke untersuchen. „Das wissenschaftliche Ziel dabei ist, den Einfluss der Schneedecke auf die Bodentemperaturen und Bodenfeuchtigkeit im Zusammenspiel mit der Vegetation zu verstehen“, sagt Dr. Simone M. Stünzi vom AWI Potsdam. Bodenfeuchte und -temperatur werden seit vergangenem Jahr kontinuierlich vor Ort mittels Sensoren automatisch erfasst. Sie sind wichtige Steuergrößen für die Bodenlebewesen, unter anderem die Mikroben, und bedingen dadurch die CO2- und Methanflüsse an der Bodenoberfläche.
Während der Boden der Tundra im Winter gefroren ist, bleibt das Sediment unter dem See im Untersuchungsgebiet ganzjährig frostfrei, so dass hier auch im Winter Methan produziert und in die Wassersäule abgegeben werden kann. Im letzten Jahr wurden zur Schneeschmelze relativ hohe Methanemissionen entlang der Ränder der schrumpfenden Eisdecke des Sees gemessen. „Nun wollen wir herausfinden, wie viel Methan sich im Seewasser und in der Eisdecke des Sees über den langen Winter akkumuliert", erklärt Prof. Dr. Torsten Sachs vom Deutschen GeoForschungsZentrum, Helmholtz-Zentrum Potsdam.
Mehr Informationen
Mehr zum Projekt MOMENT
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Verbundprojekt MOMENT
Das Projekt MOMENT (Permafrostforschung auf dem Weg zur integrierten Beobachtung und Modellierung des Methanhaushalts von Ökosystemen) wird wichtige Lücken im Prozessverständnis des Methankreislaufs in den nördlichen Breiten durch innovative Laborstudien und multiskalige Methanflussbeobachtungen auf der Disko-Insel, Grönland, auf der Basis modernster Infrastruktur schließen.
Das Verbundprojekt MOMENT wird vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) gefördert und hat eine Laufzeit von drei Jahren, von November 2022 bis Oktober 2025.
Exzellenzcluster CLICCS
Der Exzellenzcluster für Klimaforschung „Climate, Climatic Change, and Society“ (CLICCS) an der Universität Hamburg untersucht die Grundlagen des Klimawandels sowohl auf naturwissenschaftlicher Basis als auch im Hinblick auf die gesellschaftliche Entwicklung und prüft, welche künftigen Entwicklungen („Klimazukünfte“) nicht nur möglich, sondern auch plausibel sind. CLICCS leitet aus seiner Grundlagenforschung immer wieder auch Handlungsempfehlungen für die Politik ab. Der Exzellenzcluster wird von der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) gefördert.