and Society (CLICCS)
KlimaanpassungNichtstun kostet in Zukunft mehr
27. Februar 2025, von Stephanie Janssen

Foto: Michael Waibel
Der Hamburg Climate Futures Outlook 2024 zeigt, wie Klimawandel-Anpassung langfristig erfolgreich ist: mit umfassend durchdachten Maßnahmen, die gleichzeitig klimafreundlich und sozial gerecht sind und zusammen mit der Bevölkerung entwickelt werden. Beate Ratter ist Professorin für Geografie und eine federführende Autorin der Studie.
„Mit Anpassung kaufen wir uns Zeit, aber mit nachhaltiger Anpassung kaufen wir uns Zukunft“, so ein Zitat von Ihnen zur Klimaanpassung. Was meinen Sie damit?
Beate Ratter: Ich erforsche die Folgen des Klimawandels auf kleinen Inseln. Hier ist der Anstieg des Meeresspiegels ein Problem, aber viel mehr noch die Erosion der Küsten. Zeit kann ich mir erkaufen, indem ich zum Beispiel eine Mauer an den Strand setze. Diese würde aber im Laufe der Zeit von den ankommenden Wassermassen unterspült und bald wieder weggerissen. Naturbasierte Maßnahmen könnten dagegen langfristig Dynamik aus dem Wellensystem herausnehmen. Wenn ich also zum Beispiel Korallenriffe schütze und so dauerhaft die Erosion verringere, dann kaufe ich mir Zukunft.
Die Bevölkerung einzubinden, alle möglichen Folgen einer Maßnahme bedenken, eine Strategie entwickeln und genau auf die Bedingungen vor Ort abstimmen – nachhaltige Anpassung braucht Zeit. Sollte ich nicht präventiv lieber schnell eine Mauer hochziehen, um mich vor Hochwasser zu schützen?
Nachhaltigkeit hat einen sozialen, einen wirtschaftlichen und einen ökologischen Aspekt. Eine Mauer zu errichten, ist ja nicht kostenlos. Man muss investieren, braucht technisches Know-how und macht am Ende im Ökosystem mehr kaputt, als damit zu retten ist.
Ihre Studie untersucht anhand von neun Fallbeispielen weltweit, wie erfolgreich die Klimaanpassung vor Ort war. Keine der Regionen hat sich wirklich nachhaltig angepasst. Hat hier die Politik versagt?
Ja, der Staat hat die Verantwortung zu regulieren. Unsere Wirtschaftssysteme gehen von falschen Voraussetzungen aus. So ist es über die letzten 100 Jahre nicht möglich gewesen, die wirklichen Umweltkosten, beispielsweise von Verkehr, von denen bezahlen zu lassen, die sie verursachen. Offensichtlich ist in der Bevölkerung auch nicht genügend Interesse da, dies einzufordern.
Sind wirtschaftliche Entwicklung und nachhaltige Anpassung eventuell unvereinbar?
Da müssen wir anders argumentieren. Wirtschaftliches Handeln muss die zukünftigen Kosten von Klimafolgen mit einbeziehen. Denn wenn wir nichts tun, kostet es uns in Zukunft viel mehr.
Wie überwinden wir die Trägheit?
Die Herausforderung ist, proaktiv zu werden. Wie viele Wasserkatastrophen brauchen wir noch, um zu verstehen, dass der Klimawandel negativ ist? Wir hatten im letzten Jahr Überflutungen in Sachsen und Niedersachsen, das Saarland, Baden-Württemberg, Bayern, Österreich und Tschechien wurden überschwemmt. Ich bin erschüttert, dass Klimawandel im Wahlkampf kaum eine Rolle spielt. Wir können entweder schmerzhaft spüren, dass wir etwas tun müssen. Oder überlegen, wie wir unsere Resilienz so steigern, dass wir mit der nächsten Überflutung oder mit dem nächsten Starkregen umgehen können.
Kann eine einzelne Person etwas tun?
Unbedingt. Jeder Mensch kann überlegen, was er schützen möchte, sein Haus, seine Nachbarschaft. Stammtische, Vereine oder NGOs helfen dabei, sich auszutauschen und aktiv zu werden – und in Gemeinschaft macht´s mehr Spaß.
Der Artikel wurde im CLICCS Quarterly veröffentlicht, den Forschungsnews des Exzellenzclusters "Klima, Klimawandel und Gesellschaft".