Preisträger:innen 2019: Joahnna Matzat und Jan Wohland
Gleich zwei exzellente Doktorarbeiten wurden mit dem Wladimir Köppen Preis 2019 des Exzellenzclusters CLICCS ausgezeichnet. Dr. Johanna Matzat erhält den Preis für ihre soziologische Analyse des Heizens in Passivhäusern und Smart Homes. Dr. Jan Wohland hat die Jury mit seiner Arbeit zu den Auswirkungen von Klimawandel und Windschwankungen auf erneuerbare Energien überzeugt. Beide liefern Analysen und Lösungshinweise, um die emissionsarme Energienutzung weiter zu entwickeln.
Bild: privat (links), ETH Zürich (rechts)
Gleich zwei exzellente Doktorarbeiten wurden mit dem Wladimir Köppen Preis 2019 des Exzellenzclusters CLICCS ausgezeichnet. Dr. Johanna Matzat erhält den Preis für ihre soziologische Analyse des Heizens in Passivhäusern und Smart Homes. Dr. Jan Wohland hat die Jury mit seiner Arbeit zu den Auswirkungen von Klimawandel und Windschwankungen auf erneuerbare Energien überzeugt. Beide liefern Analysen und Lösungshinweise, um die emissionsarme Energienutzung weiter zu entwickeln.
Klimafreundlich heizen
Johanna Matzat hat an der Universität Hamburg promoviert und im Rahmen ihrer Doktorarbeit untersucht, wie sich alltägliche Routinen in privaten Haushalten energieärmer gestalten lassen. Im Zuge der Energiewende soll Deutschland bis 2050 in diesem Bereich eines der effizientesten Länder der Welt werden. Wie kann diese Wende gelingen? Dafür muss nicht nur die Energieversorgung umgestaltet werden, sondern auch das alltägliche Leben wird sich ändern müssen – denn rund ein Viertel der in Deutschland genutzten Energie entfällt auf Privathaushalte.
Einen Bereich des alltäglichen Lebens hat die Soziologin für ihre Doktorarbeit genauer untersucht: Das Heizen in Privathaushalten – denn das Heizen verbraucht dort rund ein Drittel der im Haus genutzten Energie und setzt somit große Mengen CO2 frei. Anders in sogenannten Smart Homes oder Passivhäusern. Dort wird durch computergesteuerte Technik oder eine energieeffiziente Bauweise viel eingespart. Für ihre Studie hat Johanna Matzat Hamburgerinnen und Hamburger interviewt, die in einem Passivhaus oder Smart Home wohnen. Außerdem hat sie Expertinnen und Experten aus der Bau- und Energiebranche befragt und Beobachtungen bei Energieunternehmen und Informationsveranstaltungen durchgeführt. Ihre wichtigsten Ergebnisse: Viele Menschen scheuen sich vor diesen Neuerungen, da sie die über Jahre erlernten Heiz- und Lüftungsroutinen aufgeben müssten. So besteht Sorge, die Kontrolle abzugeben oder abhängig zu sein von neuer Technik.
Durch ihre Interviews hat Johanna Matzat herausgefunden, dass sich das ändert, sobald die Menschen in solchen Häusern leben und mit den neuen Heizformen vertraut sind. Wer anfangs skeptisch war, ist meist schon nach kurzer Zeit von der Bauweise oder der neu installierten smarten Technik überzeugt. Ein weiterer Vorteil von Passivhäusern: Sie werden häufig genossenschaftlich gebaut und verfügen über Gemeinschaftsflächen. So profitieren Menschen mit niedrigem Einkommen von günstigen Mieten und niedrigen Energiekosten. Die Politik könnte mit der Förderung von Passivhäusern also gleich zwei Ziele erreichen: weniger Emissionen und günstige Wohnungen.
Windkraft effizient nutzen
Jan Wohland ist in seiner Dissertation mehreren Fragen zu erneuerbaren Energien nachgegangen. Der an der Universität Köln promovierte Klimaphysiker hat in einem ersten Schritt geprüft, wie das Windaufkommen und die schwankenden Kosten für den Betrieb des deutschen Stromnetzes zusammenhängen. Weht im Norden ein starker Wind, gelangt das Stromnetz an seine Belastungsgrenze. Folglich kann es den Strom nicht mehr bundesweit verteilen. Um das Netz zu stabilisieren, wird kein weiterer Windstrom eingespeist. Stattdessen produzieren Kraftwerke im Süden die fehlenden Strommengen. Das kostet zusätzlich. Zwischen 2014 und 2015 gab eine Kostensteigerung von mehreren hundert Millionen Euro, die Jan Wohland auf große Unterschiede im Windaufkommen zurückführen kann. Lassen sich diese Kosten vermeiden? Vorerst nicht, errechnete Wohland anhand von Winddaten. Seine Analyse zeigt: Das Windaufkommen schwankt von Jahr zu Jahr beträchtlich. Die dadurch entstehenden Kosten sollten also von vornherein in die Planungen mit einbezogen werden.
Wird ein Windpark geplant, ist außerdem das unterschiedliche Windaufkommen über mehrere Jahrzehnte zu berücksichtigen. Denn Windgeschwindigkeiten schwanken nicht nur von Jahr zu Jahr sondern auch zwischen den Jahrzehnten. Von daher sollten verlässliche Daten für einen Zeitraum von mindestens 50 Jahren analysiert und daraus flächendeckende Statistiken erstellt werden. Und genau hier könnte eine Fehlerquelle liegen, denn verlässliche Daten gibt es nur für die vergangenen 40 Jahre. Daten und Statistiken für die Zeit vor 1980 sind aufgrund ungenauer Messmethoden nur eingeschränkt geeignet. Expertinnen und Experten sollten Langzeitanalysen also kritisch prüfen, bevor sie für die Planung von Windparks eingesetzt werden.
Gleichzeitig zeigen Klimamodelle, dass der Wind über Europa am Ende des 21. Jahrhunderts sehr wahrscheinlich gleichmäßiger wehen wird als heute. Wohland hat errechnet, dass dies für das Stromsystem sogar nachteilig wäre, da viele Länder zeitgleich zu wenig, beziehungsweise zu viel Windenergie erzeugen würden. Für die Windlücken müssten bis zu sieben Prozent zusätzlicher Energie, zum Beispiel mit Gaskraftwerken, produziert werden. Weht viel Wind, könnte die überschüssige Energie hingegen sogenannte Direct Air Capture (DAC)-Anlagen betreiben. Diese entziehen der Atmosphäre CO2 und erzeugen so „negative“ Emissionen. Wird der Wind schwächer, schalten sie sich aus. Durch gut verteilte DAC-Anlagen könnte so verhindert werden, dass Stromsysteme in Starkwindzeiten überlastet sind. Bisher existieren solche Anlagen allerdings nur im Testbetrieb – denn die Fragen der sicheren CO2-Lagerung und der öffentlichen Akzeptanz sind noch nicht geklärt. Doch das im Klimaabkommen von Paris vereinbarte Zwei-Grad-Ziel lässt sich realistisch nur erreichen, wenn wir „negative“ Emissionen produzieren.
Die Preisträger:innen 2019
Die Dissertationen von Johanna Matzat und Jan Wohland sind gleichwertig herausragend. Beide Arbeiten weisen ein hohes Maß an Genauigkeit, sorgfältig ausgewählter Methoden und exzellent dargestellter Analysen auf. Das gemeinsame Oberthema ist die Energiewende, wobei Johanna Matzat das Thema aus sozialwissenschaftlicher und Jan Wohland aus naturwissenschaftlicher Sicht beleuchtet. Die Jury sieht hierin eine ausgezeichnete Gelegenheit, mit dem Preis die interdisziplinäre Sichtweise auf ein sehr aktuelles Thema zu würdigen, für die auch CLICCS steht – und die der Ausschreibung des Wladimir Köppen Preises durch das Exzellenzcluster gerecht wird.
In den vergangenen Jahren ist der Preis in feierlichem Rahmen an die Preisträgerinnen und Preisträger überreicht worden. Aufgrund der Corona-Pandemie erhalten Johanna Matzat und Jan Wohland den Preis dieses Jahr auf postalischem Wege. Beide sind für 2021 zur feierlichen Preisverleihung nach Hamburg eingeladen.