and Society (CLICCS)
Inga Janina Sievert über ihre Promotion während der PandemieEthnologische Forschung in Indien und im Harz
26. Oktober 2021, von Inga Janina Sievert

Foto: Unsplash/Rajat Sarki
Viele Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler der Universität forschen nicht nur in Hamburg, sondern sind in verschiedenen Regionen der Welt unterwegs. Die Pandemie hat das fast unmöglich gemacht. In der Ethnologie ist es üblich, mehrere Monate lang im Feld zu forschen. Dabei konzentriert man sich in der Regel auf einen regionalen Schwerpunkt. Ich hatte schon im Bachelorstudium Indologie als Nebenfach und habe Hindi gelernt. Für meine Masterarbeit habe ich vier Monate lang in einem Stadtviertel von Neu-Delhi gelebt, das von tibetischen Geflüchteten gegründet wurde, und zu der Frage gearbeitet, was einen Ort ausmachen muss, um ihn als ein Zuhause zu empfinden. Auch für meine Promotion wollte ich deshalb nun wieder nach Indien.
In einem Teilprojekt des Exzellenzclusters CLICCS untersuchen wir, wie Menschen in verschiedenen Regionen der Welt über die Zukunft des Klimas denken, welche Entwicklungen sie für denkbar halten und wie sie entsprechend dieser Vorstellungen handeln. Ich wollte vergangenes Jahr nach Darjeeling reisen und dort zwölf Monate lang Teebäuerinnen und Teebauern auf den Plantagen begleiten. Am Tee lassen sich Klimaveränderungen gut ablesen, denn der Geschmack verändert sich und die Ernte ist durch die zunehmenden Wetterextreme rückläufig. Das wäre ein sehr interessantes Feld gewesen, doch die Pandemie hat alles gestoppt. Für ethnologische Forschung muss man vor Ort sein, Beziehungen knüpfen und Vertrauen aufbauen – und das ist in Indien auf absehbare Zeit nicht möglich.
In Sachsen-Anhalt nutze ich die gleichen Methoden wie in Darjeeling

Daher habe ich im Herbst 2020 mein Projekt umgestellt – von Indien in den Harz. Diese Region ist besonders stark vom Waldsterben betroffen und die Entscheidung, was man heute pflanzt, wird die kommenden Generationen stark beeinflussen. Im ländlichen Sachsen-Anhalt nutze ich dabei die gleichen Methoden wie in Indien, etwa die teilnehmende Beobachtung. Dabei begleite ich meine Forschungspartnerinnen und -partner in ihrem Alltag und beteilige mich an ihren Aufgaben. In diesem Frühjahr war ich bereits für einen Monat in der Nähe von Wernigerode, um das Projekt vorzubereiten, und im Juni konnte ich zu einem längeren Forschungsaufenthalt starten.

Ich bleibe voraussichtlich zehn Monate und arbeite unter anderem eng mit Försterinnen und Förstern sowie Mitarbeitenden des Nationalparks zusammen. Ich treffe sie vor allem im Wald, doch das hätte ich auch ohne Pandemie so machen wollen, da das ja ihr Arbeitsort ist. So möchte ich herausfinden, welche Rolle Wald- und Klimawandel für die Menschen in der Region spielen.
Dass es mit Indien nicht geklappt hat, finde ich sehr schade. Aber an der ethnologischen Forschung mag ich am liebsten, dass man so eng mit Menschen zusammenarbeitet – und das kann ich auch im Harz tun. Wenn die Alternative wäre, auf unabsehbare Zeit digital arbeiten zu müssen, ist das für mich so in Ordnung.
19NEUZEHN
Dieser Artikel ist in Ausgabe 17 des Hochschulmagazins 19NEUNZEHN zum Wintersemester 2021/22 erschienen. Die vollständige Ausgabe des Heftes sowie das Archiv der vergangenen Ausgaben finden Sie auf dem Online-Auftritt des Magazins.