and Society (CLICCS)
PositionspapierUmgang mit dem 1,5°C-Ziel
9. Oktober 2024, von Deutsches Klima-Konsortium (DKK)

Foto: UHH/T.Wasilewski
Kernbotschaften
1. Das absehbare Überschreiten des Zielwertes von 1,5°C sollte offen kommuniziert werden.
Der sechste IPCC-Sachstandsbericht konstatiert, dass das 20-Jahresmittel der globalen Temperaturerhöhung vermutlich Anfang der 2030er Jahre die 1,5°C-Grenze überschritten haben wird. Die Gestaltung der Klimaanpassung sollte von aktuell plausiblen Temperaturszenarien
ausgehen und sich auf diese vorbereiten.
2. 1,5°C stellt keine physikalische Schwelle des Klimawandels dar. Es gibt keinen trennscharfen Übergang von einem sicheren Klima zu einem gefährlichen Klimawandel.
Schon heute verursacht der Klimawandel in vielen Teilen der Welt erhebliche Schäden. Die Veränderung der lokalen Durchschnittstemperatur weicht an vielen Orten deutlich nach oben und unten vom globalen Mittel ab.
3. Mit jedem weiteren Zuwachs an globaler Erwärmung werden Änderungen von Extremen weiterhin größer.
Der Weltklimarat IPCC hat in seinem Sonderbericht zum 1,5°C-Ziel die Unterschiede in den erwartbaren Klimafolgen zwischen 1,5°C und 2°C herausgearbeitet. Hier wird dargelegt, dass es bei 2°C erheblich mehr Klimaschäden geben wird als bei 1,5°C. Im sechsten Sachstandsbericht des IPCC ist belegt, dass es bei jedem halben Grad Celsius weiteren Temperaturanstieg deutlich erkennbar mehr Hitzewellen, Starkniederschläge und Überflutungen gibt.
4. Das Pariser Abkommen ist völkerrechtlich verbindlich und steht daher nicht zur Disposition.
Es benennt das Ziel, die Erwärmung auf deutlich unter 2°C zu begrenzen und konkretisiert dies mit Verweis auf die 1,5°C. Artikel 2 konstatiert, dass die „Bedrohung durch Klimawandeländerungen“ gemindert werden soll, indem „der Anstieg der durchschnittlichen Erdtemperatur deutlich unter 2°C über dem vorindustriellen Niveau gehalten wird und Anstrengungen unternommen werden, um den Temperaturanstieg auf 1,5°C über dem vorindustriellen Niveau zu begrenzen, da erkannt wurde, dass dies die Risiken und Auswirkungen der Klimaänderungen erheblich verringern würde“. In Artikel 4 benennt das Pariser Abkommen das Ziel der Treibhausgasneutralität und legt hierfür einen Zeithorizont fest. Der Artikel führt aus, „so bald wie möglich den weltweiten Scheitelpunkt der Emissionen von Treibhausgasen zu erreichen […], um in der zweiten Hälfte dieses Jahrhunderts ein Gleichgewicht zwischen den anthropogenen Emissionen von Treibhausgasen aus Quellen und dem Abbau solcher Gase durch Senken […] herzustellen“. In dem von 195 Staaten sowie der EU verabschiedeten Pariser Abkommen ist somit politisch festgelegt, was als gefährlicher Klimawandel betrachtet wird und was durch angemessene politische Maßnahmen zu vermeiden ist.
5. Für das Temperaturziel legt das Pariser Abkommen keinen konkreten Zeithorizont fest.
Allerdings kann der genaue Wortlaut „deutlich unter 2°C…gehalten wird“ (Pariser Abkommen, Art. 2) als ein Hinweis darauf interpretiert werden, dass der klimatisch gemittelte Temperaturanstieg dauerhaft und zu jeder Zeit deutlich unter 2°C gehalten werden soll. Gleichwohl entstand im Klimawandeldiskurs das Konzept des „Overshoot“, also eines nur temporären Überschreitens des Temperaturziels. Allerdings – vorausgesetzt ein nur temporäres Überschreiten des Pariser Temperaturziels gelänge – birgt dieser Ansatz das Risiko von irreversiblen Schäden, z.B. Korallensterben, Überflutungen, Waldsterben und Gletscherschmelzen.
6. Es sind insbesondere die gesellschaftlichen Treiber wie Konsumverhalten und Unternehmensstrategien, die der Einhaltung des 1,5°C-Ziels entgegenwirken.
Die Gesellschaftswissenschaften liefern dazu relevante Hinweise; ebenso zu politischen Handlungsoptionen für ein Umsteuern. Bisher sind die getroffenen politischen Entscheidungen für das Erreichen der klimapolitischen Ziele, insbesondere für das Ziel der tiefen Dekarbonisierung, unzureichend. Vor allem steht die große soziale Ungleichheit in vielen Gesellschaften der Welt einer Dekarbonisierung bis 2050 im Weg. Gleichwohl gibt es Entwicklungen, die das Erreichen des 1,5°C Ziels befördern, und daher deutlicher herausgestellt werden sollten. Dazu gehört, dass heute global fast doppelt so viel in erneuerbare Energien investiert wird wie in fossile oder auch, dass die Kosten für Solarenergie in den letzten 20 Jahren um ca. 90 Prozent gesunken sind.
____________________________________
Das Positionspapier inklusive FAQs zum 1,5-Grad-Temperaturlimit der Erderwärmung zum Download.
Autor:innen:
Vorstand des Deutschen Klima-Konsortiums: Angela Oels (Vorsitzende), Susanne Dröge,
Thomas Hickler, Mark Lawrence, Markus Reichstein sowie Jochem Marotzke (ehem. Vorsitzender) und
Marie-Luise Beck (Geschäftsführerin)
Deutsches Klima-Konsortium
Das Deutsche Klima-Konsortium (DKK) ist die Selbstorganisation der Klimawissenschaften in Deutschland mit aktuell 27 Mitgliedsinstitutionen. Das Centrum für Erdsystemforschung und Nachhaltigkeit CEN und der Exzellenzcluster für Klimaforschung CLICCS der Universität Hamburg gehören seit Jahren dazu. Als größtes nationales Netzwerk repräsentiert der Verband die sich ständig erweiternde Vielfalt der Klimaforschung und Klimafolgenforschung. Neben den klassischen naturwissenschaftlichen Disziplinen spielen die Gesellschaftswissenschaften eine immer größere Rolle, um Bedingungen, Treiber und Konzepte von gesellschaftlichem Wandel zu verstehen. Die Wechselwirkungen zwischen Klima-, Biodiversitäts-, Nachhaltigkeits- und Transformationsforschung sind ein weiterer Schwerpunkt. www.klima-konsortium.de